Mittwoch, 1. Oktober 2008

eine nicht-beziehung

Irgendwann in diesem Zeitraum erschienen zwei Typen im Hostel. Der eine war Engländer, hieß M., hatte lange blonde Locken, ein feines, besonderes Gesicht und einen intensiven Blick. Er war 25, Surfer, umgänglich und ich fand ihn umwerfend. Der ander war Ire und hieß A.. Er war lang und schlaksig, hatte wenige Haare, die schulterlang waren und die er in einen Pferdeschwanz band. Er hatte sehr dunkle Augen und ein süßes Lächeln und jeder mochte ihn. Er war 30 und strahlte etwas Erfahrenes aus. Gleichzeitig war er wahnsinnig schüchtern. Es ist schwierig zu beschreiben, aber das war es auch, was seinen Reiz ausmachte.
Er strich eines der Zimmer. Immer wenn er das tat, schaute ich vorbei, um ihm ein bisschen Gesellschaft zu leisten. Einmal sagte er, für ihn wäre das immer gewesen, wie wenn die Sonne aufgeht. Einmal träumte ich davon ihn zu küssen.
Dann saß ich eines Abends mit beiden vor der Tür des Hostels, wir tranken Bier und redeten und in meinem Kopf war es wie mit diesem Abzählreim. Enemene muh, dachte ich, wen nehm ich? Ich weiß nicht, inwiefern es irgendjemandes bewusste Entscheidung gewesen war. Aus meiner Sicht ergab es sich einfach.
Irgendwann saß ich mit A. auf dem Sofa und irgendwann hielten wir Händchen und irgendwann küssten wir uns. Er küsste furchtbar, nass und laut. Ich dachte später häufig, dass ich M. hätte nehmen sollen.

Am nächsten Tag ging ich mit ein paar Leuten aus dem Hostel aus und wir saßen in einer Bar. Neben mir saß auf der einen Seite A. und auf der anderen M. und ich hatte je eine Hand auf einem Knie. Außerdem waren zwei Typen in der Bar mit denen ich es getrieben hatte. Es gibt da diese Parfümwerbung für "Cinema", da ist diese Frau, die umschwärmt wird von heißen Typen. Genau so fühlte ich mich in dem Moment. Mächtig, sexy und unwiderstehlich.
Irgendwann wollte A., dass wir gehen. Wir traten aus der Bar und da stand M. und ich küsste ihn. Es war sexy und wenn ich an den Kuss denke, sehe ich einen Sternenhimmel vor mir. Dann gingen A. und ich. Natürlich hatte er es mitbekommen und vielleicht störte es ihn. Er fragte nur wieso? und ich antwortete, dass ich es habe wissen wollen. Was gab es sonst zu sagen. Wir gingen ins Bad und knutschten rum und dann ging ich an ihm runter. Er war sehr klein. Mich störte das gar nicht, aber ihn und das machte es zu einem Problem. Er kam nicht und ich fand es lächerlich.
Am nächsten Tag entschuldigte ich mich bei M. für mein "sexual harrassment". Er lachte. Dann fragte er, wohin ich denn verschwunden sei. Ich sagte, gegangen. Ich sagte nicht, mit A. Aber zu spät war es da trotzdem schon.

Was dann passierte war eine Mail von H. Er sagte, dass er keine Fernbeziehung wollte. Eigentlich war es lächerlich, aber erst diese Mail machte mir klar, dass es nichts mehr gab und nichts mehr geben würde. Die nächsten zwei Tage kann man zusammenfassen mit "Ich habe viel geheult."

Und danach war da ein anderer Kerl, ein Deutscher, C. Auch einer der long-term Gäste. Er hatte rote Haare und ich hatte ihn nie besonders attraktiv gefunden und ich weiß, dass auch ich nicht sein Typ war. Wir redeten stundenlang, tranken eine Menge Bacardi und dann küsste er mich. Der Kuss war fantastisch. Hart und sexy. Er sagte, danke. Später knutschten wir vor dem Hostel rum. Es war irre; grob und leidenschaftlich. Die Wahrheit über C. war ja, dass er sich an alle ranmachte. Wir witzelten, er habe es eben nötig. Zwischen uns lief lange Zeit immer wieder was und es ging meistens von ihm aus. Ich fand es hart, ihm zu widerstehen.

Dann ging M. Ich schrieb in mein Notizbuch: M. geht und ich glaube, ich ich hätte mich in ihn verliebt, wäre er geblieben. Er hatte etwas gefährliches. Also ist es besser, er ist weg. Oder nicht. Oder doch. Whatever. Who cares.

Ich wusste nicht, was da lief mit A. Von ihm aus lief nie etwas. Aber er wehrte sich auch nicht, wenn ich ihm abends einen Gute-Nacht-Kuss gab. Er wusste, dass etwas lief mit C. und es störte ihn nicht, sagte er, weil C. sein Freund war.
Nicht alle waren so tolerant. Mein Ruf im Hostel war vermutlich ziemlich schnell unten durch. C., die Hostelmami nannte mich "slut". Sie behauptete, sie meine das gar nicht bös und überhaupt hätte ich mich ja selbst einmal so bezeichnet. Sie übersah etwas ganz entscheidendes- dass ich das durfte. Ich gehe selten offene Konflikte ein- aus dem gleichen Grund aus dem ich selten lüge; sie brauchen zuviel Energie. Sie mochte mich nicht und kam nicht mit meinem Lebenswandel zurecht, aber das musste sie ja auch nicht. Es reichte, wenn ich das tat.

Ich trank zuviel, knutschte mit Typen rum und Mädchen und wenn ich es nicht tat, fühlte ich mich einsam.

Mit A. lief eine Weile nichts. Ich hatte es satt, dass er nie auf mich zukam. Vielleicht war ich zuviel für ihn. Ich glaube ich war für viele Leute damals zuviel. Dann lagen wir beide eines Abends vor dem Fernseher. Er lag auf einer Couch und ich auf der anderen. Und irgendwann legte ich mich dann zu ihm. Er umarmte mich und da lagen wir eng umschlungen und schauten einen Film und ich fühlte mich so geborgen und glücklich wie lange nicht. Er sagte, er habe sich so gewünscht, dass ich komme. In dem Moment dachte ich, wieso hast du nichts gesagt? Im Nachhinein denke ich wirklich, dass er dachte, ich sei zu gut für ihn. Er hatte sich nicht getraut. Wir landeten im Bad und ich gab ihm wieder einen Blow-job. Diesmal kam er. Nach ungefähr 2 Sekunden. Das traumatisierte ihn bis zum Ende, glaube ich.
Es lief also kurz etwas und dann ging er wieder dazu über mich zu ignorieren. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass er mit seiner besten Freundin im Bett landete. Ich war wütend. Ich dachte, ich bin nicht eifersüchtig und es läge nur daran, dass er mich an dem Abend versetzt hatte. Ich fand, ich hätte das Recht an erster Stelle zu stehen. Dann beschloss ich ihn auch zu ignorieren. Ich knutschte mit ein paar anderen Typen rum, um mir meine Unabhängigkeit zu beweisen. Die Wahrheit war, dass sie alle furchtbar waren.

Also küsste ich wieder ihn. Ich weiß nicht mal, ob er überhaupt bemerkt hatte, dass ich ihn ignoriert hatte. Was ich sagte, zwischen zwei Küssen, ist, dass ich ihn vermisst hätte. Das stimmte. Vor allem, weil wir uns plötzlich küssen konnten, auch wenn unsere Haare immer im Weg waren. Er nannte es unsere "Desaster-Zone" und wir lachten darüber. Nicht unsere einzig.
Mal wieder blies ich ihm einen im Badezimmer. Anders bekam er keinen hoch. Ich fand das ziemlich praktisch für ihn. Stören tat es mich nicht, nicht besonders, weil ich gerne Blow-jobs gebe. Aber es verschob das Gleichgewicht in unserer Beziehung. Es war immer ich, die mehr gab. Danach sagte er, dass das ja nur Spaß sei und nichts Ernstes und ich meinte, klar. Ich wollte bestimmt nichts Ernsthaftes mit ihm- er sollte da sein, wenn ich jemanden brauchte. Das war er zwar auch nicht, aber es war vertraut und besser als nichts.

Und dann- war ich ein böses Mädchen. Am nächsten Tag war Halloween-Party und M. war wieder da. Und ich wollte ihn unbedingt. Nur dass ich zuviel trank und nicht M. bekam und nicht A., sondern plötzlich mit einem sexy Franzosen knutschend in der Ecke stand. Alle sagten später, wir hätte uns vor aller Augen faktisch verschlungen. Vermutlich stimmt das auch. Ich ging nicht mit ihm ins Bett. Im Nachhinein dachte ich, ich hätte es tun sollen. Zwischendurch küsste ich M. Er wimmelte mich ab. Ich weiß nicht, wie A. das herausfand, aber er tat es.
Er machte umgehend mit mir Schluss. Nicht, dass wir jemals zusammengewesen wären, aber zum Schluss machen reichte es. Erst heulte ich und dann wurde ich sauer. Ich dachte, dass sich die Tatsache, dass es ja nur um Spaß ginge offensichtlich nur auf ihn bezog. Wenn ich ein nettes Mädchen war, durfte ich ihm einen blasen und gelegentlich bekam ich dafür Zärtlichkeiten, wenn ich böse war und er sich öffentlich gedemütigt fühlte, ließ er mich fallen.
Natürlich musste sich die Hostelmutti einmischen. Wie ich denn dachte, dass sich alle anderen Typen gefühlt hätten, die zugegen war und mit denen ich was gehabt hatte, als ich plötzlich mit jemand ganz anderem rumgemacht hätte? Vor aller Augen? Ich dachte, Moment, FÜHLEN? Sie hatten ihren Spaß gehabt, ich hatte etwas gehabt, manchmal Spaß und manchmal mehr Schmerz als Spaß. Dann hatten wir uns gegenseitig fallen gelassen. Ich sah keine gebrochenen Herzen und noch weniger sah ich irgendeine Verantwortung meinerseits.
C. war diplomatischer. Er sagte, wenn ich A. wollte, müsse ich aufhören, alle Welt zu haben. Am nächsten Abend, als ich beschlossen hatte, es A. zu zeigen und mich in Schale geworfen hatte und mit dem halben Tisch flirtete, half es mir bei der Durchführung dieser neuen Einstellung: Indem er mich küsste.

In der folgenden Woche wurde A. ganz einfach aus dem Grund immer begehrenswerter, weil er mich nicht mehr haben wollte. Ich beobachtete, wie er mit anderen redete und wie süß er lächelte, wenn er mit ihnen redete und ich wollte ihn zurück, wollte ihn verdammt nochmal zurück. Und dann bekam ich ihn zurück. Es war einfach. Wir waren in einer Bar und er war besoffen und ich nicht und dann küsste ich ihn. Und brachte ihn nach Hause. Und wir knutschten rum und er sagte mir immer wieder, wie toll er mich fände. Was er genau sagte war folgendes: that I was a legend, oozing sex appeal, hot, because i didn't care about anything und dass er immer über mich herfallen wolle, wenn er mich sehe. Klar habe ich das aufgeschrieben, damals. Es war das verdammt tollste, was irgendjemand je über mich gesagt hatte. Dann fielen wir übereinander her und zwar im Wohnzimmer und er zerbiss meine Lippen, zerkratzte meinen Rücken und ich hatte noch eine Woche später blaue Flecken auf meinen Brüsten. Ich war selten so erregt.

Und dann war da also wieder etwas. Ich war kreativ und da wir beide im Hostel arbeiteten, klauten wir uns den Schlüssel zu einem der Doppelzimmer oder zur Küche. Meistens landeten wir im Bad. Meistens endete es in einem Blow-job. Er bekam ihn einfach nicht hoch und wollte auch nichts tun deswegen. Ich sage gar nicht, dass es schlecht war deswegen, es war schön ihn zu küssen und sich gegenseitig anzufassen, auch wenn er danach nie wieder so grob war und ich das vermisste.
Er wollte vor anderen nie zärtlich sein. Nur manchmal lagen wir zusammen vor dem Fernseher. Ich erinnere mich an einmal, da sahen wir "American History X" und dann ist da Szene, wo Edward Norton den Jungen tötet und ich konnte nicht mehr atmen und danach konnte ich nicht aufhören zu heulen. Und A. war da.

Meistens war er es nicht. Er war tagelang abwesend und manchmal erzählte er mir später, was gewesen war, manchmal nicht. Ich hatte selten das Gefühl, an ihn ranzukommen. Mich fragte er nie etwas, es kam mir so vor, als wolle er sich gar nicht einlassen auf mich. Immer wenn ich endgültig beschloss, die Sache zu beenden, machte er wieder einen Schritt auf mich zu. Es war eine dysfunktionale Nicht-Beziehung zwischen zwei dysfunktionalen Menschen und beinhaltete auch sonst so ziemlich alle Dysfunktionen, die man sich vorstellen kann.
Er behauptete, dass ich zu gut für ihn sei und er zu alt und "fucked up". Komisch nur. Ich dachte, die natürliche Reaktion daraus sei, mich besonders gut zu behandeln. Offensichtlich sah er das anders.

Ich hatte eine Freundin, die meistens noch wach war, wenn ich von meinen nächtlichen Eskapaden zurück in den Dorm getapst kam. Wir saßen dann oft bis 5 Uhr morgens im Aufenthaltsraum, aßen Schokolade und analysierten sein Verhalten.
Ich weiß nicht, ob es die Ablenkung war, die ich mir gewünscht hatte, aber dass sie wirksam war, war nicht zu bestreiten.

Die Sache endete, als er nach Australien ging für drei Wochen. Er ging mit ein paar anderen und die Abschiedsfeiern zogen sich über drei Tage hinweg. Er redetete mit allen, nur mit mir nicht. Ich schrieb ihm schließlich eine Mail.
ok, a., as we're obviously unable to talk, let's try and write about it. so why? why did you fucking ignore me again? sorry, i should rather ask howthe flight was and if you're all well and happy which hopefully isthe case and stuff...but it fucks me up. so just answer my question and i'll leave it at that.
Seine Antwort kam prompt:
I'm sorry you feel that way but i don't know what your problem is? We were having a laugh so why get so serious???? i don't think i have to explain myself.All that said, I really do like you and hope that we can still remain friends at least - i hope you had a brillant christmas and have a fantastic new years !

Ich fand, es gab nichts mehr zu sagen. Ich behielt seine Facebook-adresse, um sicher zu gehen, dass ich ihm nicht zufällig über den Weg lief, als er wieder zurück in Neuseeland war. Es wäre eine Lüge zu behaupten, dass ich ihn auch nur einen Tag vermisste.

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