Montag, 6. Oktober 2008

Dunkles Wasser

Ich glaube der Gang-bang nahm mich mehr mit, als ich es wollte und ich es mir eingestehen konnte. Es weckte in mir ein Gefühl von Misstrauen gegenüber Jungs, dieses Gefühl, sie hätten keine Regeln und keine Ehre und keinen Anstand und würden alles ficken, was es zuließ.

Ich reiste herum und eines Abends ging ich wieder aus mit zwei Typen, die ich beide nicht wollte. Aber ich dachte, ich müsse mal wieder ausgehen und dann dachte ich gar nicht mehr soviel. Sie waren nett und wir spielten Billard und tranken und redeten und ich wusste, dass mindestens einer etwas wollte von mir.

Und dann hatte ich irgendwann einen Shot zuviel und wir standen an der Uferpromenade zu Lake Taupo und ich erzählte von der Sache mit dem Gang-bang und dass ich seitdem vorsichtig gewesen war. Und dann küsste er mich. Ich dachte, scheiße, wieso küsst der mich, wenn ich gerade gesagt hab, dass ich eine scheiß Sache mit Jungs hatte. Aber ich sagte auch nicht nein. Ich sagte auch nicht nein, als wir zum Strand runtergingen und er mich fickte und dann in meinen Mund kam.

Ich lag nur auf dem Rücken im Sand, hörte die Wellen gegen das Ufer schlagen, dachte an das dunkle Wasser und wie ich hineinlaufen würde, es mich umschlingen würde und mitreißen. Und ich mich fallenlassen würde und versinken.

Und er tat etwas was ich nicht gewollt hatte- er bemerkte es. Und den ganzen Rückweg zum Hostel lang fragte er mich, wieso ich nicht nein gesagt hätte, wieso zum Teufel ich nicht nein gesagt hätte. Und ich sagte, es ist egal und es macht nichts und es wäre ja nicht so, als ob er mich vergewaltigt hätte. Er sagte, so fühle er sich aber. Wieso ich nicht nein gesagt hätte? Ich sagte, ich weiß nicht, ich kann nicht. Du kannst nicht nein sagen? Ich kann nicht, ich weiß nicht wieso, ich kann es einfach nicht, aber es ist nicht deine Schuld. Und dann waren wir irgendwann beim Hostel und er fragt mich, ob ich Sex haben will mit ihm unter der Dusche. Da ich nicht lügen will- was ich gedacht habe in diesem Moment war, wie bitte? Und gleichzeitig: will ich Sex mit ihm unter der Dusche? Ich habe es mir ernsthaft überlegt. Ich sage, nein und da sagt er, siehst du, du kannst das. Nein sagen.

Dann gingen wir schlafen. Ich wachte auf am nächsten Morgen und dachte, wow, er fühlt sich schuldig und schlecht und irgendwie war die Schuld und das schlechte Gefühl, das er auf sich geladen hatte, Grund für mich mich erleichtert und gut zu fühlen. Er fühlte sich schlecht für mich, also konnte es mir gut gehen. Die Sonne schien und ich saß am See und das Wasser war blau und durch die Luft wehte der Duft von Eukalyptus.

Ich könnte die Geschichte an dieser Stelle abbrechen, aber da ist ein entscheidender Punkt, der aus dem Dunkel des Wassers an die Oberfläche gebracht werden muss. Dass in dem Moment, in dem er sich schlecht fühlte und entschuldigte mir etwas genommen wurde, was ich unbedingt wollte. Das Recht mich als missbrauchtes Opfer zu fühlen. Es war keine Vergewaltigung und natürlich war das gut und ich wollte nicht vergewaltigt werden. Und irgendwie wollte ich es doch. Weil dann Dinge aufgehört hätten uneindeutig zu sein. Weil ich dann Opfer hätte sein dürfen und jeder gewusst hätte, dass ich kaputt bin und wieso ich kaputt bin und ich selbst es gewusst hätte. Und weil ich dachte, dass dann jeder da gewesen wäre für mich. Ich wünschte, es würde da aufhören, aber manchmal habe ich Angst, dass es noch einen dunkleren Hintergrund gibt- dass sich ein Teil von mir sich weiden würde an meiner Erniedrigung und meinem Schmerz. Ein mieser kleiner Bastardteil in mir.

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